private homepage von Dr. Jürgen Weber          
   


 
 

chinesische Gedichte
übersetzt von Jürgen Weber ©

Tang-Dynastie (618-907)
 

Zhang Jiulin (673-740)

In Hukou betrachte ich, wie am Lushan der Wasserfall das Wasser verspritzt

 

Unendlich viel Wasser

            von der roten Quelle stürzt jetzt,

Der weite Umkreis

            von rötlichem Dunst ist benetzt.

Stetig fließt es

            bunten Bäumen entlang,

Spritzend stürzt es

            als ob’s dicken Wolken entsprang.

 

Der Glanz der Sonne

            den Regenbogen ruft hervor,

Trotz klarem Himmel

            dröhnt’s wie ein Unwetter im Ohr.

Solch Zauberberg,

            welch kräftige Farben er schafft!

Solch Wassermengen,

            was hat die Natur eine Kraft!

 

 

Beim Betrachten des Mondes denk ich an die ferne Geliebte

 

Über dem Meer

            der helle Mond ist gekommen,

Die Weite des Himmels

            wird sichtbar in diesem Moment.

Die Geliebte macht

            in der weiten Nacht mich beklommen,

Denn immer am Abend

            jeder an den Anderen denkt.

 

Ich lösche die Kerze

            hab am vollen Mondschein Genuss,

Häng um meinen Mantel,

            die Nässe des Taus ich spür.

Ich kann’s nicht ertragen

            des kostbaren Geschenkes Überfluss,

Kehr zurück in mein Zimmer

            und träum von den Zeiten mit Dir.

 
Meng Haoran (689-740)
 

An der Berghütte

 

Abendsonne

            im Westgebirge versinkt,

In allen Tälern

            Dunkelheit tritt dann hervor.

Mond in den Kiefern

            die Kühle der Nacht mit sich bringt,

Wind und Quellen

            erreichen rauschend das Ohr.

 

Reisigsammler

            fast ist er zu Hause,

Vögel gar

            lassen schon nieder sich.

Du mein Freund

            willst kommen zur Nacht in die Klause,

Allein mit der Zither

            am Moos-Pfad wart ich auf dich.

 

 

Frühlingsabend

 

Frühling ist’s

            das Wasser des Sees ist rein und klar,

In seiner Vielfalt

            das Zwitschern der Vögel ist wunderbar.

Blüten im Wald

            sind fast völlig herabgefallen,

Gras auf dem Pfad

            steht nach jedem Tritt  wie es war.

 

Ein Zechkumpan

            ist gerade gekommen,

Brachte den Krug

            zu betrinken haben wir uns vorgenommen.

Den Becher wollt ich

            eben nehmen zur Hand,

Der Sängerin 

            Lied haben wir da vernommen.

 

 

 

Auf die Meditationshalle des Meisters Yi geschrieben

 

Der Meister Yi

            will in Versenkung sich ergehen,

Baut eine Hütte

            mitten im Wald, ganz unberührt.

Außen vorm Tor

            ein Gipfel steht dort wunderschön,

Unter den Stufen

            ein Weg durch viele tiefe Täler führt.

 

Abendsonne

            fügt sich nach dem Regen ein,

Himmelsblau

            fällt in des Vorhofs Versteck.

Wenn ich sehe,

            wie der Lotos weiß und rein,

So ist mir klar:

            auch Euer Herz ist ohne Fleck.

 
Qiu Wei (694-789)
 

Ich besuche den Einsiedler vom Westberg und treffe ihn nicht an

 

Hoch auf dem Berg

            eine Hütte vereinzelt dort steht.

Ich gehe hinauf,

            dreißig Meilen sind’s bis hierher.

Öffne die Tür,

            kein Diener entgegengeht,

Blick in den Raum,

            nur ein Tisch und ein Bett, nicht mehr.

 

Falls er nicht weg,

            den Planwagen zu schmücken,

Ist er bestimmt

            in Herbstfluten zum Fischen gegangen.

Es soll wohl so sein,

            dass wir uns nicht erblicken,

Vergeblich scheint

            die Aussicht, ihn zu erlangen.

 

Die Farbe des Grases

            wird frischer durch den Regen,

Das Rauschen der Kiefer

            dringt am Abend durchs Fenster hinein.

Bin hierher gekommen,

            ich liebe dies Einsiedler-Leben,

Find in mir die Ruhe,

            meine Sinne saugen sie ein.

 

Dies zwar ist nicht

            im Sinne von Hausherr und Gast,

Doch spüre ich

            der Reinheit wirklichen Sinn.

Ist die Stimmung erschöpft,

            steig ich vom Berg ohne Hast,

Soll ich warten auf ihn,

zu dem ich gekommen bin?

 

 
Wang Wei (699-759)
 

Im Hirschgehölz

 

Einsam der Berg

            es ist kein Mensch zu sehn,

Doch kann ich hören

            der Menschenwort Getön.

Abendsonne

            dringt tief ein in den Wald,

Und legt den Schein

            auf das Moos so grün.

 

 

Herbstabend im Gebirge

 

Verlassene Berge

            vorbei ist frischer Regen,

Das Wetter wird

            am Abend herbstlich schon.

Ein heller Mond

            durch Kiefern scheint entgegen,

Die klare Quelle

            über Felsen fließt davon.

 

Bambus rauscht

            Waschfrauen nach Hause gehen,

Lotos schwimmt

            vom Fischerboot durchfahren.

Ach möge nicht

            der Frühlingsduft verwehen!

Doch meinen Enkeln

            muss ich auch noch etwas aufbewahren.

 

 

 

Wohnen im Zhongnan-Gebirge

 

Seit meiner Lebensmitte

            bin dem Dao ich sehr gewogen,

Spät bin ich nun

            zum Südgebirg gereist hierher.

Die Stimmung kam

            stets wenn allein ich losgezogen,

Das Beste ist,

            man macht sein Wesen völlig leer.

 

Ich geh bis dort

            wo nicht mehr fließen kann die Quelle,

Sitzend betracht ich

            wie die Wolken ziehn dahin,

Der Zufall will’s,

            da ist ein Alter aus dem Wald zur Stelle,

Wir reden und lachen

            nach Rückkehr steht uns nicht der Sinn.

 

 

Dem Minister Zhang als Gegengabe

 

In den späten Jahren

            begehr ich nur die Stille,

Die zehntausend Dinge

            lassen mein Herz völlig kalt.

Nach großen Plänen

            steht mir nicht der Wille,

Mit freiem Sinn

            kehr ich zurück in den Wald.

 

Der Wind aus den Kiefern

            bläst den Gürtel mir los,

Der Mond hinterm Berg

            mag meine Zither erhellen.

Du fragest mich:

            „dies ärmliche Leben, warum bloß?“

Des Fischers Lied

            tönt durch des Flusses Wellen.

 

 

In einer Herbstnacht sitze ich allein

 

Ich sitz allein

            erschreckt vom weißen Schläfenhaar,

Die Halle leer

            es ist schon mitten in der Nacht.

Draußen der Regen

            im Berg lässt Früchte fallen sacht

Unter der Lampe

            schwirrt umher Insektenschar.

 

Das weiße Haar

            man  kann kaum tun etwas dagegen,

So wie man Gold

            nicht einfach hergezaubert kriegt.

Würde gern wissen

            wie man Alter und Krankheit besiegt,

Am Ende doch bleibt nur

            die Lehre: nichtig ist das Leben.

 

 

Am Herbstfest denk ich an meine Brüder in Shandong

 

Allein muss ich im fremden Dorf

            mich zu den Fremden zählen,

Mich immer, wenn ein Fest sich naht,

            Gedanken an die Meinen quälen

Von ferne weiß ich: die Brüder jetzt

            steigen zum Festberg auf

Für jeden richtet den Platz man ein

            einer jedoch wird fehlen.

 

 

Zum Abschied

 

Ich steig vom Pferd

und trink mit Dir den Wein,

und frage Dich:

„Muss es denn wirklich sein?“

Du sagst: „Es ist

für mich kein Bleiben hier.

Ich kehr zurück

ins Süd-Gebirg hinein.“

Da Du nun gehst,

nicht Fragen stell ich Dir.

In weißen Wolken

wirst Du ewig sein.

 

 

Zum Abschied

 

Wir trafen einander,

            was war das für ein Lachen,

Nun trennen wir uns

            und Tränen sinken nieder.

Nach dem Abschiedsessen

            muss zum Scheiden bereit mich machen

Zur öden Stadt

            kehre voll Kummer ich wieder.

 

Das Wetter ist kalt,

            die fernen Berge so rein.

Die Sonne geht unter,

            der Strom fließt eilig dahin.

Man löset das Tau,

            schon seh ich Euch ganz klein,

ich blicke Euch nach

            und stehe mit einsamem Sinn.

 

 
Li Bo (701-762)
 

Zum Gastmahl im Pavillon des Herrn Tao

 

Geschwungener Pfad

            führt zum Haus des Verborgenen heran,

Ein hohes Tor

            zeigt des Gelehrten Wohnung mir an.

Teich macht mir klar:

            Glänzender Mut ist wohl hier zu finden,

Sträucher enthüllen:

            Farbprächtige Blüten sich zahlreich hier winden.

 

Smaragdgrünes Wasser

            die Frühlingssonne zurück behält,

Blaugrüne Halle

            beschützt, wenn der Dunst am Abend fällt.

Und wenn man dann hört,

            wie Leier und Flöte wundervoll tönen:

Dies goldene Tal

            kann sich gar nicht hoch genug wähnen.

 

 

 

Lied vom Lotos-Pflücken

 

An des Ro-ye-Baches Ufer

            Mädchen Lotos-Blüten brechen,

Inmitten Lilienpflanzen scherzend

            sie fröhlich miteinander sprechen.

Frischen Putz die Sonne spiegelt

            im klaren Wasser kann man’s sehen,

Liebliche Ärmel der Wind aufwirbelt

            dass in der Luft sie duftig wehen.

 

Am andern Ufer doch wer sind

            die jungen Herrn die dort flanieren?

In Dreier- und in Fünfer-Reihen

            im Glanz zur Weide hin marschieren?

Ein braunes Pferd tritt wiehernd hinein

            die Blütenpracht, sie ist dahin,

Und wenn ich bewegt mir dies anseh’,

            zerbricht’s mir das Herz und leer ist mein Sinn.

 

 

 

In der Frühe verlasse ich die

[Verbannungs-]Stadt Bo-di

 

Am Morgen ich von Bo-di scheide

            von glänzendem Dunst durchdrungen,

Für Tausend Meilen bis Jiang-ling

            ein Tag nur soll genügen.

Noch eh von beiden Ufern das Schrei’n

            der Affen ist verklungen,

Mein leichtes Boot lässt hinter sich

            zehntausend Berge liegen.

 

 

 

Im Kaiserpalast (der Han) I

 

Die Farben der Weiden:

            ein zartes Gelb so wie Gold;

Die Blüten des Birnbaums:

            wie Schnee duften sie hold.

Im Jadeturm nistet

            ein Eisvogelpärchen allein,

Im Perlensaal schloss man

            Mandarinenenten einst ein.

 

Mädchen dürfen

            der Sänfte folgen nach,

Sie singen Lieder

            und ziehen zum Brautgemach.

Wem am Hofe

            gebührt wohl der erste Rang?

Natürlich Fei-yen

            im Kaiserpalast von Chao-yang.

 

 

 

 

Im Kaiserpalast (der Han) II

 

Zwischen Jadebäumen

            bringt der Frühling den neuen Tag;

Drin im Goldpalast

            zahlreiche Freuden es geben mag.

Die hinteren Gemächer:

            der Morgen hat sie noch nicht erreicht,

Der leichte Kaiserwagen

            ist heute Nacht wohl angekommen.

 

Lachen dringt heraus,

            Geplauder tönt zwischen Flieder;

Eine Schöne tritt hervor,

            singt unter Kerzenschein frohe Lieder.

Ach lasset nicht zu,

            dass der helle Mond schon weg sich schleicht,

Haltet ihn doch auf,

            bis Mondgöttin vom Wein benommen.

 

 

 

 

 

 

 

Herbstgedanken

 

Mein weißes Schläfenhaar

            bei tausend Zoll ist angekommen,

Beim Trennungsschmerz

            hat es wohl Maß genommen.

Verstehe nicht

            meinen blanken Spiegel,

Wie hat er nur

            des Herbstes Reif ersonnen?

 

 

 

Nachtgedanken

 

Vor meinem Bett

            Mondglanz sehe ich jetzt

Es ist als ob

            Reif den Boden benetzt.

Ich hebe den Kopf

            schau auf den Mond überm Berg,

Ich senke den Kopf

            in die Heimat fühl ich mich versetzt.

 

 

 

 

Vom Wein

 

Ich rate Euch:

            Weist nicht zurück das Glas!

Der Frühlingswind

            macht doch den Menschen Spaß.

Pfirsich und Pflaume

            wie früher ist ihr Verhalten

Sie breiten die Blüten aus

            und lassen sie für uns entfalten.

Pirol lässt ertönen

            aus smaragdenem Baume sein Lied,

Den hellen Mond

            in goldenem Krug man sieht.

 

Der gestern noch

            ein Kind mit zarter Haut war,

Den zeichnet heute

            längst schon weißes Schläfenhaar.

Dornen wuchern

            in des Herren Haus,

Hirsche gehen

            Im Kronsaal ein und aus.

Wo früher stand

            von König und Kaiser der Thron,

Ist das Palasttor

            durch Sandstaub verschlossen schon.

 

Und da wollt Ihr

            das Weintrinken aufgeben?

Die Menschen von einst

            sind sie denn heut noch am Leben?

 
 
 
Zechen unter dem Mond

 

Sitz zwischen den Blüten

            mit einer Kanne Wein,

Schenk alleine mir ein

            ohne einen Freund.

Ich hebe den Becher

            lad den hellen Mond mir ein

Gegenüber mein Schatten

            zu dritt sind wir vereint.

 

Der Mond jedoch

            versteht sich nicht aufs Trinken,

Mein Schatten auch

            tut nur was ich tu.

Ein wenig berauscht,

            Mond lässt Schatten niedersinken,

Wir wandeln in Freude

            und warten dem Lenze zu.

 

Und wenn ich singe,

            schwankt der Mond hin und her,

Und wenn ich tanze,

            hüpft mein Schatten so sehr.

Solange ich nüchtern,

            gemeinsam wir uns freuen,

Nachdem ich berauscht,

            ist jeder für sich getrennt.

Auf immer zusammen

            können wir nicht feiern,

Wir treffen uns wieder

            in der Milchstraße am Firmament.

 

 

 

 

Gefühle eines Trunkenen im Frühling

 

Unser Dasein

            ist so wie ein großer Traum,

Warum dann machen

            um sein Leben soviel Plag?

Ich bin deshalb

            betrunken den lieben langen Tag

Und mag nur träge

            schlafen an dem Säulenbaum.

 

Wieder erwacht

            schaue ich mich um vorm Haus,

Ein kleiner Vogel

            zwitschert aus dem Blütenhain.

Ich frage ihn

            welche Zeit wird es wohl sein?

Der Frühlingswind

            trägt Pirolgesang hinaus.

 

Davon gerührt

            da muss ich  seufzen schwer

Hol mir den Wein

            schenke ein mir wie gewohnt

Mit viel Gesang

            erwarte ich  den hellen Mond

Ist’s Lied zu Ende

            bin ich bei mir schon längst nicht mehr.

 

 

 

 

Selbstvergessen

 

Ich sitz beim Wein

            die Augen zu, vergess’ die Zeit,

Blüten fallen

            und bedecken fast mein Kleid.

Erheb mich trunken

            folge Bach und Mond,

Vögel ziehen

            nirgends Menschen weit und breit.

 

 

 

 

Trinklied

 

Die Sorgen sie mögen

            tausend mal tausendfach sein,

Vom guten Wein

            haben 300 Glas wir genommen.

Die Sorgen sind viel

            und wenig zwar ist der Wein,

Der Wein aber macht,

            dass die Sorgen gar nicht erst kommen.

Ich weiß es genau:

            Der Wein muss was Heiliges sein,

Vom Wein berauscht

            das Herz ist nicht mehr beklommen.

 

Auf Speise verzichtend

            brachte Bo I sich zu Tod’,

Oft in der Klemme

            musst hungern Yen Hui in der Not.

In jener Zeit

            hielt man das Trinken für verkehrt,

Doch leere Namen,

            was sind sie heute noch wert?

 

Aus Scheren des Krebses

            werden den Goldsaft wir schlürfen

Den Treberhügel

            als Paradies woll’n wir loben.

Und nun werden wir

            den goldenen Wein trinken dürfen

Und mit dem Mond

            uns berauschen auf Terrassen dort oben.

 

 

 

Vor uns ein Becher Wein

 

Vom Osten kommt der Frühlingswind

            ist unvermittelt zur Stelle,

Im goldenen Becher der klare Wein

            schlägt eine kleine Welle.

Fallende Blätter wirbeln wild

            Empfindung dies erfrischt

Die Schöne ist vom Trinken berauscht

            rot glänzend ihr Gesicht.

 

Vorm grünen Haus Pfirsich und Pflaume

            wie lange noch stehen die zwei?

Der flüchtige Glanz er täuscht die Menschen

            wie schnell ist er vorbei!

 

Erhebt Euch zum Tanzen,

die Sonne im Westen versinkt.

 

Wer nicht zur rechten Zeit sein Wesen

            zur Änderung macht bereit,

ist erst sein Haar so weiß wie Seide,

            zum Klagen bleibt ihm viel Zeit.

 

 

 

 

Auf klarem Wasser

 

Auf klarem Wasser

            der Herbstsonne Widerschein,

Südlich am Weiher

            laden üppige Kräuter zum Pflücken ein,

Lilien und Lotos

            ansprechend stehen sie dort.

Dennoch todtraurig

            ist der Mann dort im Boot ganz allein.

 

 

 

 

Nächtigend auf dem Berge Yuanda

 

Alter Freund

            im Ostberg ließt Ihr Euch nieder zur Nacht,

Habt allein Eure Freude

            an der Landschaft natürlicher Pracht.

Der Frühling so mild,

            das Lager nahmt Ihr im tiefen Wald,

die Sonn’ hat den Tag

            noch nicht hervorgebracht.

 

Der Wind aus den Kiefern

            Ärmel und Saum frisch durchweht,

Die Kühle des Bergsees

            durch Ohr und Gemüt reinigend geht.

Ich muss Euch beneiden

            kein Lärm dort und kein Geschrei,

Ruhend dort oben

            die Sonne smaragdgleich Ihr funkeln seht.

 

 

 

 

In einer Frühlingsnacht bei Lo-yang

hörte ich eine Flöte

 

Von irgendwo der Jadeflöte

Ton ans Ohr mir ging,

Frühlingswind blies sanft herein

die ganze Stadt umfing,

Als in der Nacht ich dann das Lied

vom Weidenschnitt gehört,

wie war ich da so sehr vom Reiz

des alten Parks betört.

 

 

 

 
Song Zhiwen (gest. 712)
 

Auf eine alte Kiefer

 

Das Jahr geht zu Ende

            steil ab die Felswand im Osten fällt,

Ringsum ist’s gefährlich

            soll ich’s bedauern, warum?

Sonne geht unter

            den Berg dort im Westen in Schatten stellt,

Die Pflanzen sind alle

            vom Froste gezeichnet und krumm.

 

Da mittendrin

            eine Kiefer steht stattlich und voll,

Sie lässt mich

            lange rasten und nachdenklich sein.

Einhundert Fuß hoch

            doch Äste, nicht einen Zoll:

Ein ganzes Leben

            steht sie aufrecht und für sich allein.

 
Du Fu (712-770)
 

Der Kanzler von Shu

 

Die Ahnenhalle des großen Kanzlers          

            find den Ort ich bald?

Wo einst das Brokatamt vor der Stadt

            ist Dickicht nun und wilder Wald.

Grünes Gras auf glänzenden Stufen

            des Frühlings Farbe für sich,

Gelber Pirol zwischen den Blättern

            sein schönes Lied verhallt.

 

Bei drei Besuchen beharrliches Drängen

            sein Plan, das Reich zu lenken,

Für zwei Höfe Stütze und Hilfe

            des alten Dieners Denken.

Noch vor dem Sieg seiner Armee

            musste er schon sterben.

Stets wenn man denkt an diesen Helden

            Tränen den Rockaufschlag tränken.

 

 

 

Die geschenkten Perlen

 

Ein Gast kam an,

            traf weit aus Süden ein.

Er schenkte mir

            Perlen, so kostbar und fremd.

Auf den Perlen

            standen Zeichen, geheim.

Ich wollt sie verstehen,

            der Sinn jedoch ging mir nicht ein.

 

Ich schloss sie darauf

            in ein Kästchen lange ein.

Später dann kam

            der Amtmann wegen der Steuer.

Beim Öffnen sah ich:

            sie wurden zu Blut, so rein!

Beklagen muss ichs,

            nach Abzug nichts bleibt mir mein.

 

 

 

Der leere Beutel

 

Der grüne Wacholder

            zwar bitter, ess’ ich ihn doch,

Der Dunst am Frühmorgen

            als Nahrung schätz ich ihn hoch.

Die Menschen der Welt

            sind alle roh und verdorben,

Der Weg, den ich geh,

            ist elend und mühsam geworden.

 

Hab nichts zu kochen

            zu Eis wurd’ der Brunnen gemacht,

Hab keine Kleider

            kalt ist das Bett in der Nacht.

Der Beutel ist leer

            ich denke, die Schande ist groß,

Es bleibt mir noch übrig

            ein Geldstück, ein einziges bloß.

 

 

 

 

Die Hauptstadt

 

Ich hörte sagen, dass Chang-an

            gleich einem Schachspiele sei,

In dem auch hundert Jahre Geschehen

            die Schwermut nicht matt gesetzt.

In den Gemächern von König und Fürsten

            sind alle die Herren nun neu;

Die Gelehrten- und Kriegsgewänder

            sind anders als früher jetzt.

 

Dort vom Gebirgspass im Norden

            Trommeln aus Bronze ertönen;

Von Wagen und Pferd an der Westfront

            flinke Depeschen erzählen.

Doch Fisch und Drachen sich einsam

            im kalten Herbstfluss sich winden;

Im Altertum friedlich verweilen,

            darin meine Gedanken sich finden.

 

 

 

 

 

Der Papagei

 

Der Papagei

            trübe Gedanken durchleidet,

Verständig weiß er:

            hier kommt er nicht raus.

Den grünen Kragen

            ganz kurz man ihm beschneidet

Der rote Schnabel

            strahlt viel Wissen aus

 

Nie wird kommen

            der Tag, da der Käfig offen,

Benagt umsonst

            der alten Hütte Zweig.

Die Menschen aber

            schaden ihm, sind doch betroffen,

Was nutzen ihm

            Flügel und Federkleid?

 

 

 

 

Herbstregen

 

Im Regen die vielhundert Gräser

            verfaulen bald und untergehn,

Nur an den Stufen lassen sich

            noch Farben frisch und leuchtend sehn.

Üppige Blätter füllen die Äste

            wie aus grünem Gefieder ein Zelt,

Füllige Blüten sind zahllos und reich

            wie an Goldmünzen das satte Gelb.

 

Der kalte Wind, er stürmt und braust

            lässt dich durch und durch erschauern,

Macht dich fürchten um die Zukunft

            auch du wirst die Zeit nicht überdauern.

Ein Büchermensch in seiner Halle

            den Kopf so weiß und auch so leer,

Der Wind kommt, lässt dich dreimal riechen

            den Wohlgeruch riechst du nie mehr.

 

 

 

 

Bedauernswert

 

Blüten fallen

            am Boden sind sie allzu schnell,

Altes vergeht

            ach könnt ich den Frühling ewig bewahren.

Ja, und auch dort,

            wo Lachen und Freude sind noch zur Stell,

Ist’s längst vorbei

            mit den starken Jugendjahren.

 

Mit ganzem Herzen

            hab dem Wein ich mich ergeben,

Verstimmung vertreib ich

            am besten mit Gedichte schreiben.

Nach diesem Prinzip

            lebte Tao Qian einst sein Leben,

Ich sehe mich selbst

            als Nachfahr, der in seiner Zeit möchte bleiben.

 

 
Chang Jian (8. Jht.)
 

Die Andachtshalle hinterm Kloster

 

Im klaren Morgen

            tret ich ins Kloster ein;

Strahlen schon tauchen

            Waldwipfel in glänzenden Schein.

Auf krummem Pfad

            gelang ich zum Verstecke,

Die Andachtshalle

            verborgen von Blumen und Hecke.

 

Der Glanz der Berge

            der Vögel Wesen erfreut,

Der Schein des Weihers

            des Menschen Seele befreit.

Die zehntausend Töne

            hier schweigen sie stille alle,

Es ist nur zu hören

            des Klangsteines Ton aus der Halle.

 

 
Cen Shen (715-770)
 

Im Grashallen-Dorf suche ich Herrn Luo und finde ihn nicht

 

In der Schlucht stehn üppig die Weiden

            ihr Laub farbprächtig und schön,

Die Sonne strahlt schräg hinein in die Gasse

            Vögel fliegen im Abendschein.

Draußen vorm Tor ist alles voll Schnee

            keines Menschen Spur ist zu sehn,

Ausgegangen ist wohl der Herr

            und kehrte noch nicht heim.

 
Qian Qi (722-780)
 

Die langen Herbstmonate

 

Die Luft im Herbst

            den Jade-Reif verfliegen lässt,

Der Wind des Nordens

            fegt weg des Lotos-Duftes Rest.

In Liebe bleib ich dir verbunden,

            das Licht erloschen, bin allein.

Wisch weg die Tränen, denk an dich,

            kalt und nass wird’s lange sein.

 

Blaue Wolken vor dem Dach

            sind wie Wasser fast so rein,

Mond geht auf, Vögel rasten,

            Gänse fangen an zu schrein.

Zu wem gehört die junge Frau,

            will immer Treuebilder weben,

Wandschirm und Brokatvorhang

            verhüllen tief die Tür daneben.

 

Am Fenster da der weißen Jade

            hör ich, wie das Laub schon fällt,

Sie dauert mich die arme Frau,

            allein, keiner da, der zu ihr hält.

 
Wei Yingwu (737-790)
 

Leben im Verborgenen

 

Gelehrte und Geringe

            sind verschieden zwar im Rang,

Heraus aus dem Tor

            ist doch geschäftig ihr beider Streben.

Allein ich steh nicht

            unter der Dinge Zwang,

Habe zum Weg mir gemacht

            die Neigung, verborgen zu leben.

 

Ein feiner Regen

            kam und ging in der Nacht,

Noch weiß ich nicht,

            ob das Frühlingsgras kam heraus.

Am grünlichen Berg

            der Morgen bricht an mit Macht,

Die Schar der Spatzen

            umkreiset zwitschernd mein Haus.

 

Manchesmal treff ich

            den Daoisten, freundschaftlich zugetan,

Oder begleite

            den Reisigsammler auf seinem Pfad.

Wir gelten den andern

            als niedrig und als arm,

Ja man kann sagen:

            der Welten Prunk ist uns fad.

 

 

 

Der Daoist in den Bergen von Quanjiao

 

Am heutigen Morgen

            musst in der Amtsstub ich frieren,

Da dachte ich plötzlich

            an den Einsiedel im Berge allein.

Tief hinten im Tal wohl

            wird aus Reisig ein Bündel er schnüren;

Kehrt er zurück,

            kocht sein Mahl er mit weißblankem Stein.

 

Ich hoffe, er hält

            eine Kelle mit Wein in der Hand,

Beruhigt in der Ferne

            am Abend bei Regen und Wind.

Die Blätter sie fallen,

            füllen die kahle Wand,

An welchem Ort wohl

            ich seine Spuren einst find?

 

 

 

In Changan treff ich den Feng Zhu

 

Ein Freund ist gekommen

            weither vom Ostgebiet.

Auf seiner Jacke man

            von Baling noch Regen sieht.

Ich frage den Freund

            „wozu bist gekommen du?“

„Holz schlagen im Berg,

            kauf ein Beil mir dazu.“

 

Geheimnisvolle Knospen

            wollen schon wieder blühen,

Schwalben flattern,

            die neue Brut aufziehen.

Wir schieden erst gestern,

            heut ist der Frühling schon da.

Wie ist an den Schläfen

            gewachsen das strähnige Haar!

 

Jiao Ran (gest. 790)
 

Ich suche den Lu Hongjian und treffe ihn nicht an

 

Sein neues Zuhause

            ist inmitten der Stadt zwar gelegen,

Doch ein verwilderter Pfad

            führt mich dem Garten entgegen.

Er pflanzte erst kürzlich

            Chrysanthemen an der Hecke Lauf,

Es ist zwar schon Herbst,

            doch blühten sie heut noch nicht auf.

 

Ich klopf an die Tür,

            kein Hund bellt mir entgegen,

Ich gehe zum Nachbarn,

            sein Haus im Westen gelegen.

Dort sagt man mir,

            in die Berge immer er steiget

Und käm erst zurück,

            wenn abends die Sonne sich neiget.

 

 
Zhang Ji (768-830)
 

Abschiedsschmerz

 

Trennung schneidet,

            Trennung schneidet noch tiefer,

Der Herbstwind hat

            Äste geknickt von der Kiefer.

Sind andere jung

            dürfen  zur Hochzeit sie gehn,

Da wir sind jung

müssen zum Abschied uns sehn.

 

Ich flehe Euch an:

            Geht nicht in diesen Krieg,

Jahr folgt auf Jahr

            immer weiter weg Ihr dann zieht.

Was mich betrifft,

            ging gerne für Euch in den Tod,

Doch oben im Haus

            für die Eltern zu sorgen, tut Not

 

Berge und Ströme

            wie sind sie doch so furchtbar fern,

Wer dorthin geht,

            wird wohl niemals wiederkehrn.

 
Bo Juyi (772-846)
 

Wertloser Wohlstand

 

Ihr ganzes Verhalten

            trägt  Stolz die Straße entlang.

Die Sättel der Pferde

            verleihen dem Staub helle Pracht.

Wenn Du mich fragst:

            Was sind diese Menschen von Rang?

Es sind alle diese

            Beamte vom Hofe mit Macht.

 

Mit roten Schärpen

            sind hohe Minister all’samt,

Mit Purpurschnur

            General oder Oberst genannt.

Prahlend ziehn sie

            zum Festbankett beim Militär

Sie treiben die Pferde

            wie Wolkenzug vor sich her.

 

Im prächtigen Kruge

            gibt’s die neun Weine zuhauf,

Aus Wasser und Land

            tischt acht Schätze man auf.

Geschnitten, zerteilt

            vom Dungting-See Früchte ganz frisch

Gehackt und zerkleinert

            vom Himmelsteich schuppiger Fisch.

Sie essen sich satt,

            sind zufrieden mit sich und der Welt,

Betrinken mit Wein sich,

            ihr Wohlstand ihnen gefällt.

In diesem Jahr

            gab es in Jiangnan große Dürre

Und in Quzhou

            haben Menschen Menschen gegessen.

 

 

 

 

 

Unter Blüten ermuntere ich mich zum Trinken

 

Schenk ein mir Wein in den Becher

            füll ihn mir neu und erneut

Blüten am Zweig sehe ich

            fallen zerstreut und zerstreut

Wie könnt ich sagen: mit 30 Jahr

            bin ich in der Jugend noch

Von hundert Jahren ist ja doch

            vorbei schon ein Drittel der Zeit.

 

 

 

 

Frühling über dem Westsee

 

Wenn der Frühling über den See kommt,

            ein kunstvoll Gemälde sich zeiget:

Von wirren Berggipfeln umgeben

            das Wasser gleichmäßig sich breitet;

Kiefernwälder tauchen den Berg

            tausendfach in Jadegrün;

Der Mond lässt in den Wellen

            eine leuchtende Perle ziehn.

 

Gleich den Fäden eines smaragdgrünen Teppichs

            die ersten Reispflanzen sprießen;

Wie eine Schärpe aus grünem Geflecht

            kannst das junge Schilf du genießen.

Noch kann ich ihn nicht verlassen,

            will weiter in Hang-zhou leben,

Denn was mich halb zum Verweilen verführt,

            ist dieser See ja doch eben.

 

 

 

 

 

Im Frühling am See von Hangzhou

 

Der Einzel-Berg, nördlich das Kloster

            der Pavillon des Jia im West,

Das Wasser zeigt sich friedlich glatt

            die Wolken setzen tief sich fest.

Früh die Dommeln irgendwo

            um den besten Platz sich streiten,

Erneut die Schwalben andernorts

            zum Nisten Lehm sich aufbereiten.

 

Der Blüten Durcheinander bald

            Menschenaugen ganz betört,

Im seichten Wasser mit Pflanzenwuchs

            mit den Hufen versinkt mein Pferd.

Am liebsten ist mir der Osten des Sees

            kein Weg ist da gemacht zum Gehen,

Nur grüne Weiden, dunkle Plätze

            und der Bai-Damm, wunderschön.

 
Liu Zongyuan (773-819)
 

Um Mitternacht stehe ich auf und blicke zum westlichen Park, darüber der Mond

 

Erwachend lausch ich,

            sehr üppig fällt der Tau,

Ich öffne die Tür,

            der westliche Garten davor.

Kalt steht der Mond,

            auf den Gipfel im Osten ich schau,

Ein rauschendes Rascheln,

            sanft bewegt sich das Bambusrohr.

 

Von der Quelle im Fels

            dringt  Plätschern von ferne ans Ohr,

Vom Vogel im Berg

            ertönt ein einzelner Schrei.

Ich lehne am Pfeiler,

            bis der Tag wird kommen hervor,

In mich versunken,

            Worte stör’n nur dabei.

 

 

 

 

Der alte Fischer

 

Ein alter Fischer kam in der Nacht

            und lagert an westlicher Klippe.

Am Morgen da schöpft er vom Fluss klares Wasser,

            macht ein Feuer aus Bambusgestrüppe.

Im qualmenden Rauch die Sonne geht auf,

            ich sehe den Menschen nicht mehr,

Den Ton nur ich hör vom Schlag seines Ruders,

            die Landschaft glänzt grünlich umher.

Ich blicke mich um zum Horizont,

            es fließt alles ohne Verweilen,

Steh auf dem Fels ganz ohne Regung,

            seh wie die Wolken enteilen.

 

 

 

 

Fluss im Schnee

 

In tausend Bergen

der Vögel Flug scheinbar vergeht.
Auf zehntausend Pfaden

der Menschen Spur ist verweht.
Ein einsames Boot

ein Greis darin mit Umhang aus Stroh
Allein seine Angel

im Schnee am Eisfluss dort steht.

 

 

 

 

Wohnen am Gebirgsbach

 

Zu lange schon währt es,

            dass die Beamtenschärpe mich band,

Das Glück hat mich hier

            zu den Südbarbaren verschlagen.

Versorge mich nun

            aus Acker und Garten vom Nachbarland

Man kann wohl von mir,

            ich sei ein Einsiedler, sagen.

 

Am Morgen da pflüg ich

            im Grase, taubenetzt,

Des Nachts da ruder ich,

            der felsige Bach plätschert zu.

Wohin ich auch geh

            keinem Menschen begegne ich jetzt,

Sing lange mein Lied,

            dem Smaragd gleicht der Himmel von Chu.

 
Jia Dao (779-843)
 

Ich suche den Einsiedler und finde ihn nicht

 

Unter der Kiefer

            frag ich nach ihm den Knaben dort,

Der Meister, so sagt er,

            ging zum Kräuter sammeln fort.

Da ist er also

            irgendwo in diesem Berg,

Tief in den Wolken

            und keiner kennt genau den Ort.

 
Du Mu (803-852)
 

Ankern vor Qinhuai

 

Nebel liegt auf kaltem Wasser

            Mondschein liegt auf Sand,

Geh bei Qinhuai nachts vor Anker

            das Wirtshaus gleich am Strand

Die Wirtin hier, sie weiß noch nichts

            vom Niedergang im Land

Jenseits des Flusses scheint man zu besingen

die Blüte des Hofes, der verschwand.

 

 

 

 

Zum Herbstfest steig ich den Berg Qi hinauf

 

Bilder vom Herbst im Fluss sich spiegeln

            Wildgänse starten ihren Flug

Mit dem Freund, den Krug im Arm,

            gehn wir hinauf in einem Zug.

Kaum war es in der Alltagswelt

            dass zum Lachen der Mund geöffnet war,

Chrysanthemen wolln wir heute stecken,

            bis heim wir kehren, in unser Haar

 

Wir woll’n uns hemmungslos betrinken

            dadurch wird das Fest erst schön

Warum denn, wenn wir oben sind,

            jammern, weil das Alles wird vergehn?

Von alters her bis heutzutage

            stets ist’s das Gleiche weit und breit

Hat nicht sein Hemd durchnässt mit Tränen

so mancher einst wegen dem Lauf der Zeit?

 

 

 

 

 

Der Turm am Fluss

 

Ich trinke allein

            duftenden Frühlingswein,

Besteig dann den Turm

            Dämmrung tritt halb schon ein.

Da schrecke ich auf:

            eine Schar wilder Gänse,

Sie flattern verwirrt

            quer übern Fluss in die Wolken hinein.

 
Li Shangyin (812-858)
 

Im alten Dorf

 

Es ist gegen Abend

            zur Stimmung bin noch nicht bereit

Mit Pferd und Wagen

            besuch ich das Dorf frührer Zeit

Die Abendsonne

            wie ist sie doch grenzenlos schön

Das heißt aber leider:

            Die Dämmrung ist nicht mehr weit.

 

 

 

Unter Blüten

 

Im Blütenzelt

            hab einen Bienenstock ich ausgemacht

Die Bienen so emsig

            die Falter voll Farbenpracht

Die Zeit ist die gleiche

            doch sind sie nicht von gleicher Art

Hab ich darüber

            schon jemals nachgedacht?

 

 

 

Betrunken unter Blüten

 

Vom Blütenduft besinnungslos

            hat „fließender Tau“ mich betrunken gemacht

Am Baum gelehnt bin in Schlafe versunken

            schräg steht am Himmel da schon die Sonne

Als die Gäste gegangen und ich wieder nüchtern

            da ist es schon spät in der Nacht

Halte fest in der Hand die rot leuchtende Kerze

            die gefallenen Blüten, welch eine Wonne!

 

 

 

 

Winterabend des Verborgenen

 

Es sind meine Flügel

            erlahmt durch des Tages Leid,

Muss draußen im Feld

            hausen allein in der Zeit.

Hahnschrei am Morgen

            lässt rieseln vom Baume den Schnee,

Wildente im Froste

            behütet den gefrorenen See.

 

Es tritt unvermittelt

            der Abend ganz schnell in die Welt,

Das Jahr, fast verbraucht,

            zunehmend weiter zerfällt.

Wie kann ich da

            dienen dem eigenen Lande?

Ganz anders doch war

            die Zeit, als das Herz mir noch brannte.

 

 

 

 

 

Früh aufgestanden

 

Mit Wind und Tau

            Morgen dämmert ruhig und klar,

Vom Vorhang verdeckt

            erhebt sich ein einzelner Mann.

Es pfeift ein Pirol,

            auch die Blüten öffnen sich dann.

Am Ende die Frage:

            Für wen ist der Frühling wohl da?

 

 

 

 

 

Schönes Wetter am Abend

 

Von meiner Hütte aus

seh ich die Vorstadt-Wiesen.

Frühling scheidet,

            Sommer zieht strahlend nun ein.

Des Himmels Güte

            lässt auch das Unkraut noch sprießen,

Die Menschen hier

            schätzen der späten Sonne Schein.

 

Dort ist zu sehen

            der Turm auf entfernten Terrassen,

Auch ihn erreicht

            durch kleine Fenster das Licht.

Die Vögel von Yue

            haben ihr Nest längst verlassen,

Sie fliegen zurück

            und achten auf all dieses nicht.

 
Liu Deren (ca. 838)
 

In den Bergen suche ich den Daoisten und finde ihn nicht

 

Zwanzig Jahre bin ich längst,

            vom Staub der Welt so grau,

Wollt’ dem Meister oft schon folgen,

            das Läutern der Form zu verstehen.

Auf steinigem Wege bin ich gekommen,

            zu suchen den Meister des Dao.

In den Wolken die Hütte finde ich leer

            nur Schriften der Weisen zu sehen.

 

Am Fuße der Kiefer das Brettspiel liegt

            die letzte Partie noch darauf,

Der Kranich sich zum Seeufer wendet

            verliert etwas vom Gefieder.

Ich möchte gerne versteckt hier bleiben,

            bis endet mein Lebenslauf,

An welchem Tag wohl der Meister

            aus blauen Sphären steigt nieder?

 
Qi Bai (um 847)
 

Ich suche den Bergmönch Zhen Shen und finde ihn nicht

 

Unter den Kiefern,

dort ists, wo er versunken ruht,

Üppiges Moos

            den Pfad fast unkenntlich macht,

Die grünen Berge

            in der Abendsonne sieht man sie gut,

Fließendes Wasser

            ist zu hören tief in der Nacht.

 

Wenn er nicht sitzt

            am Stein dort, sein Innres zu sehen,

Wird er bestimmt

            hinaus zu den Wolken gangen sein.

Die Affenschar dort

            sie zu fragen, das kann nicht gehen,

Klippen und Täler

            im Abendrot sind sie allein.